Achtung, Realsatire! Mit unserer Web-Doku-Soap über ein fiktives Unternehmen erinnern wir uns selbst immer wieder daran, dass Kunden ebenso wie Berater auch nur Menschen sind. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist daher zufällig, jedoch keineswegs ausgeschlossen.
Maximilian Zimmermann blickte unschlüssig über den Bildschirm seines Laptops hinweg: „Meinst du nicht, wir hätten Philipp irgendwie einbeziehen sollen?“
Patricia von Waldeck winkte ab: „Falsche Zeitzone, Max, außerdem zu kurzfristig – nächstes Mal ist er dabei. Und wir entscheiden ja heute auch noch gar nichts. — Hallo, Volker, setz dich doch zu uns. Die erste Firma ist … Holistic Product Coaching Partner-Gesellschaft, hm, Brigitte Nierstein-Dümpfelbach.“
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„Frau Nierstein-Dümpfelbach, da haben Sie ja spannende Ergebnisse erzielt. Wie gehen Sie bei einem solchen Projekt vor?“
„Ooooh, die Frage passt ganz zu Ihrer lila Aura, lieber Herr Zimmermann. Sie sind ein rechtschaffen-digitaler Typ. Aber genau auf dieser Ebene kommen wir in komplexen Projekten nicht weiter. Wissen Sie, das lässt sich viel besser durch Energiearbeit lösen.“
„Ähm ja … Wie könnten Sie uns denn konkret im Changeprozess begleiten?“
„Zunächst vermesse ich die spezielle Konstellation der beteiligten Energieträger … Mein letzter Klient hat ausgezeichnete Erfahrungen mit der neuroludologischen Interspektion gemacht. Das lässt sich besser erleben als theoretisch vermitteln. Im Prinzip können Sie über ein Stellvertreter-Tier Ihre rationalen Beschränkungen außen vor lassen und viel unmittelbarer mit dem Kraftfeld arbeiten … Und weil lebende Tiere in einer Firma ja oft Irritationen auslösen, verwenden wir einfach Plüschtiere.“
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„Und welche Empfehlung würden Sie uns für die Einführung des Produktmanagements geben, Herr Zabel?“
„Nun, das hängt selbstverständlich ganz von Ihrer Organisationhistorie und der Situation ab.“
„Aber sicherlich gibt es doch Best Practices, die sich bei anderen Kunden bewährt haben …?“
„Vorsicht, Frau von Waldeck, die Lösungen anderer sind niemals übertragbar. In Anbetracht Ihrer spezifischen Situation müssen wir von Grund auf neue Lösungsräume entwickeln.“
„Aber wir—“
„Ah, wer ist eigentlich wir? Schauen Sie einmal genau hin! Sehen Sie, welche problematischen Vorannahmen darin stecken?“
„—wollten Produktmanagement—“
„Gut, jetzt gehen Sie tief in die lösungsalternative Betrachtung hinein. Nehmen wir mal für einen Moment an, Sie hätten dieses Problem nicht mehr – welches hätten Sie stattdessen?“
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„Herr Steinbeißer, wie gehen Sie denn als Interimmanager im Produktmanagement üblicherweise vor?“
„Ach, Frau von Waldeck, so tief müssen wir hier gar nicht einsteigen. Was zählt, sind am Ende des Tages doch die Bottom Line Benefits. Und die können sich sehen lassen, zweistellige EBITDA-Zuwachsraten! Sie sind wahrscheinlich zu jung, um das Taylor-Dunlap-Prinzip zu kennen. Ich bringe die, äh, Zipfelwerke binnen eines Jahres an die Börse.“
„Also, ich würde schon gerne …“ unternahm Volker Männlein einen Versuch.
„Herr Männlein, nichts für ungut, aber das tut hier wirklich nichts zur Sache. Vielen so genannten Leadership-Teams fehlt einfach der Mumm, ein Lean Restructuring durchzuziehen – deswegen ja der Interim-Ansatz. Weg mit dem Weichspüler – was Belegschaften wirklich brauchen, sind klare Ansagen. Ich bin damit seit zwei Jahrzehnten überaus …“
Ein kurzes Klopfen, und dann stand Walter Zipfelhuber in der Tür des Besprechungszimmers. Patricia sprang auf: „Herr Steinbeißer, darf ich vorst—“
„Sehen Sie nicht, dass wir in einer wichtigen Besprechung sind, das hat doch wohl Zeit?“ schnauzte der Angesprochene ungehalten in Richtung der Tür. „Offensichtlich müssen wir bei Ihnen als erstes eine Besprechungskultur implementieren!“
Nach kurzem Zögern wandte sich Walter Zipfelhuber abrupt seiner Geschäftsführerin zu: „Morgen fahre ich zur Messe, Patricia – Du kommst bitte morgen früh um acht in mein Büro. Es gibt ein sehr schwieriges Thema zu besprechen. Max, du weißt Bescheid. Guten Tag.“
„Tja, Herr Steinbeißer, das war übrigens unser Vorstand, Herr Zipfelhuber. Vielen Dank für die Erläuterung Ihres Ansatzes, wir melden uns dann bei Ihnen.“
Maximilian Zimmermann setzte sich kopfschüttelnd wieder hin und blickte Patricia und Volker mit gezwungener Ausdrucklosigkeit an.
Patricia wandte sich ihm verwundert zu: „Sag mal, Max, weißt Du etwa schon, was Walter meinte?“
Maximilian Zimmermann verdrehte die Augen: „Maulkorb!“
Bild: Didier Duforest, Flickr (CC)